Der Weihnachtstag, als Dackel Paule das Engelshaar fraß
"... Vor der Tür stand mein Mann. In den Armen ein braunes Fellknäuel, das eine
rote Schleife um den Hals trug. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich das
braune Etwas als Dackel. Ein Dackel-Welpe, der Größe nach zu urteilen. Ich
blickte ungläubig zwischen meinem Mann und dem Dackel hin und her.
"Dürfen wir rein kommen?", fragte Michael mit einem Blick, der sich nicht
wesentlich von dem des Dackels unterschied.
"Was, was, was?", stammelte ich. "Hast du den Verstand verloren, was wird
das denn?" - "Das ist Paule", antwortete mein Mann lächelnd. "Paule?", fragte
ich immer noch völlig verdattert. "Ich dachte, du bist bei Sabine und Peter.
Statt dessen schleppst du mir hier dieses Viech an!", schnappte ich ärgerlich,
woraufhin der Dackel wie auf Kommando leise anfing, zu fiepen. Das konnte
ich ja nun ganz schlecht hören.
"Ich war auch bei Sabine und Peter. Paule war der Grund des Riesen-Krachs",
meinte Michael ernst. "Peter wollte Sabine mit Paule eine Freude machen. Er
wollte ihn ihr zu Weihnachten schenken. Leider hatte er mit zwei Dingen nicht
gerechnet. Erstens leidet Sabine unter einer extremen Tierhaar-Allergie und
zweitens ist sie stinksauer auf ihn, weil sie ihm unterstellt, dass er sie mit
dem Hund ans Haus ketten will. Er wollte ihr eine Freude machen, nachdem
sie letztens bei einer Reportage im Fernsehen ganz begeistert von den
kleinen Langhaar-Dackeln schwärmte, die dort gezeigt worden waren."
"Typisches Mann-Frau-Missverständnis", meinte ich lakonisch. "Und was sollen
wir jetzt mit Paule? Du weißt, dass ich keine Hunde mag. Wenn du mit
einer kleinen Katze gekommen wärst, das wäre etwas anderes. Aber ein
Hund?"
"Ich dachte, wir schenken ihn Lena zu Weihnachten, sie wünscht sich doch
schon lange ein Haustier!" - "Na prima!" antwortete ich schnippisch. "Und
wer hat dann die Verantwortung am Hals? Lass mich raten: Diejenige, die
älter ist als vier Jahre und zu Hause arbeitet. Das kommt überhaupt nicht in
Frage. Verstehst du mich? Überhaupt nicht!"
Mir tat dieser harsche Auftritt selbst weh, aber es musste sein. Ich kannte
meinen Mann, der hatte den Dackelblick besser drauf, als der Dackel selbst
und wenn er etwas wollte, kam er oft damit durch. Aber nicht in diesem Fall.
Ein Hund? Nur über meine Leiche! Ha!
"Was wird denn jetzt mit Paule? Zu Sabine und Peter kann er nicht. Die
haben sich gerade wieder etwas beruhigt und auf die Straße setzen kann ich
ihn ja auch schlecht." Mein Mann brachte gerade wieder diesen berüchtigten
Blick zum Einsatz. "In Ordnung, Paule bleibt hier bis zum 27. Dann haben die
Tierheime wieder geöffnet. Ein junger Hund findet bestimmt bald eine neue
Familie. Und Lena erzählen wir, dass wir nur auf Paule aufpassen und ihn
nach Weihnachten wieder zurück bringen", beschloss ich, sehr zufrieden mit
meiner weisen Entscheidung.
"Dann hole ich jetzt Lena ab. Kann Paule bei dir bleiben?", fragte mein Mann.
"Geh' aber bitte vorher nochmal mit ihm raus. Irgendwo habe ich gelesen,
dass junge Hunde ständig müssen", ordnete ich an. So geschah es dann auch
und Michael drückte mir Paule nach einem kleinen Spaziergang mit den
Worten "Pass gut auf den kleinen Mann auf!" in die Hand. Pah, was sollte uns
schon passieren? Ich hatte zwar keine Erfahrung mit Hunden, aber das dürfte
ja nicht so schwer sein..."
|