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Leseprobe III von Marion Reichwein

Der Weihnachtstag, als Dackel Paule das Engelshaar fraß

"... Vor der Tür stand mein Mann. In den Armen ein braunes Fellknäuel, das eine rote Schleife um den Hals trug. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich das braune Etwas als Dackel. Ein Dackel-Welpe, der Größe nach zu urteilen. Ich blickte ungläubig zwischen meinem Mann und dem Dackel hin und her. "Dürfen wir rein kommen?", fragte Michael mit einem Blick, der sich nicht wesentlich von dem des Dackels unterschied.

"Was, was, was?", stammelte ich. "Hast du den Verstand verloren, was wird das denn?" - "Das ist Paule", antwortete mein Mann lächelnd. "Paule?", fragte ich immer noch völlig verdattert. "Ich dachte, du bist bei Sabine und Peter. Statt dessen schleppst du mir hier dieses Viech an!", schnappte ich ärgerlich, woraufhin der Dackel wie auf Kommando leise anfing, zu fiepen. Das konnte ich ja nun ganz schlecht hören.

"Ich war auch bei Sabine und Peter. Paule war der Grund des Riesen-Krachs", meinte Michael ernst. "Peter wollte Sabine mit Paule eine Freude machen. Er wollte ihn ihr zu Weihnachten schenken. Leider hatte er mit zwei Dingen nicht gerechnet. Erstens leidet Sabine unter einer extremen Tierhaar-Allergie und zweitens ist sie stinksauer auf ihn, weil sie ihm unterstellt, dass er sie mit dem Hund ans Haus ketten will. Er wollte ihr eine Freude machen, nachdem sie letztens bei einer Reportage im Fernsehen ganz begeistert von den kleinen Langhaar-Dackeln schwärmte, die dort gezeigt worden waren."

"Typisches Mann-Frau-Missverständnis", meinte ich lakonisch. "Und was sollen wir jetzt mit Paule? Du weißt, dass ich keine Hunde mag. Wenn du mit einer kleinen Katze gekommen wärst, das wäre etwas anderes. Aber ein Hund?"

"Ich dachte, wir schenken ihn Lena zu Weihnachten, sie wünscht sich doch schon lange ein Haustier!" - "Na prima!" antwortete ich schnippisch. "Und wer hat dann die Verantwortung am Hals? Lass mich raten: Diejenige, die älter ist als vier Jahre und zu Hause arbeitet. Das kommt überhaupt nicht in Frage. Verstehst du mich? Überhaupt nicht!"

Mir tat dieser harsche Auftritt selbst weh, aber es musste sein. Ich kannte meinen Mann, der hatte den Dackelblick besser drauf, als der Dackel selbst und wenn er etwas wollte, kam er oft damit durch. Aber nicht in diesem Fall. Ein Hund? Nur über meine Leiche! Ha!

"Was wird denn jetzt mit Paule? Zu Sabine und Peter kann er nicht. Die haben sich gerade wieder etwas beruhigt und auf die Straße setzen kann ich ihn ja auch schlecht." Mein Mann brachte gerade wieder diesen berüchtigten Blick zum Einsatz. "In Ordnung, Paule bleibt hier bis zum 27. Dann haben die Tierheime wieder geöffnet. Ein junger Hund findet bestimmt bald eine neue Familie. Und Lena erzählen wir, dass wir nur auf Paule aufpassen und ihn nach Weihnachten wieder zurück bringen", beschloss ich, sehr zufrieden mit meiner weisen Entscheidung.

"Dann hole ich jetzt Lena ab. Kann Paule bei dir bleiben?", fragte mein Mann. "Geh' aber bitte vorher nochmal mit ihm raus. Irgendwo habe ich gelesen, dass junge Hunde ständig müssen", ordnete ich an. So geschah es dann auch und Michael drückte mir Paule nach einem kleinen Spaziergang mit den Worten "Pass gut auf den kleinen Mann auf!" in die Hand. Pah, was sollte uns schon passieren? Ich hatte zwar keine Erfahrung mit Hunden, aber das dürfte ja nicht so schwer sein..."

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