Die Geschichte vom Elch, der lieber ein Rentier sein wollte
"...
Eines Morgens, die Vögel schienen lauter und fröhlicher zu singen, sah Agnus
auf. Zwischen den hohen Tannen am Nordhügel erblickte er am Himmel den
Weihnachtsmann. Er erkannte ihn gleich an seiner roten Mütze mit der
lustigen weißen Quaste, die aus der Ferne hell leuchtete.
Agnus schniefte laut auf. Es war wieder so weit. Der Weihnachtsmann würde
seine Auswahl treffen und er musste hier bleiben. Und all dieser Kummer, nur
weil er ein Elch war. Die Tränen flossen in Strömen und er weinte immer lauter
und lauter in seiner Verzweiflung.
Er reckte sein tränennasses Gesicht zum Himmel, um noch einen letzten Blick
auf den Weihnachtsmann erhaschen zu können. Doch was musste er da
sehen? Der Weihnachtsmann überschlug sich mit einem doppelten Salto und
stürzte mitten ins Geäst einer alten Tanne.
Agnus galoppierte so schnell er konnte zur Unglücksstelle. Dort baumelte der
arme Mann kopfüber und war fast völlig vom dicken, glänzenden Schnee bedeckt.
Niemand sonst hatte seinen Absturz bemerkt, nur ein paar aufgeregte
Vögel waren kreischend davon gestoben. In der Stille des Waldes konnte man
den Weihnachtsmann leise stöhnen hören.
"Weihnachtsmann, hast du dir weh getan, kann ich
dir helfen?", fragte Agnus und aus dem Baum
tönte es brummig: "Meine Güte, Agnus kannst du
fragen! - Ich glaube, ich habe mir ein Bein gebrochen,
hilf mir bitte hier runter!" Agnus versuchte
die Tanne hinaufzuklettern, doch der
Stamm war gefroren und er rutschte immer wieder
ab.
So begann er zu pusten. Seine hängende Unterlippe
kam ihm dabei sehr zugute. Der warme Atem
glitt so direkt am Baumstamm empor. Langsam
bildeten sich kleine Tautropfen und die Eisschicht
begann sich zu lösen. "Agnus, was tust du denn so lange, soll ich denn an
Weihnachten noch hier hängen?", kam es missmutig von oben.
"Ja, ja. Ich gebe mein Bestes!", rief Agnus hinauf. Er versuchte erneut sein
Glück beim Klettern. Armer Agnus. Ein Elch ist kein Affe. Und nachdem er
zum x-ten Male wieder auf dem Hosenboden gelandet war, kam ihm eine
Idee.
Die Rinde war mittlerweile aufgetaut und ganz weich geworden. Agnus
begann daran zu nagen. Stück für Stück knabberte er sich durch den Baum.
Seine Unterlippe hatte sich einige schmerzhafte Splitter zugezogen, doch
Agnus gab nicht auf. Als er über die Hälfte des Stammes durchgebissen
hatte, reckte er sich auf, ging um den Baum herum und trat ihn, wie er es bei
den Holzfällern gesehen hatte, mit einem kräftigen Schwung um.
"Oh! Oh! Oh!", rief der Weihnachtsmann angstvoll aus. "Agnus was tust du
denn da?" Die Tanne ächzte und krächzte, bevor sie donnernd zu Boden
schlug. Und wieder war es mucksmäuschenstill im Wald.
"Weihnachtsmann! Weihnachtsmann, lebst du noch?", schrie Agnus mit
zitternder Stimme. "Hmm ... Ja, grad noch so", antwortete ihm eine Stimme
aus dem Schnee.
Agnus begann zu graben. Sein Fell war schweißüberströmt. Er hatte schon
lange nicht mehr so hart gearbeitet. Doch das Ausbuddeln war nur noch ein
Kinderspiel. Der Weihnachtsmann lag nun auf der Erde u nd Agnus konnte sehen,
dass sein rechtes Bein ganz seltsam verdreht lag.
"Komm näher ran, Agnus", bat der Weihnachtsmann. "Ich werde auf deinen
Rücken steigen." ..."
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